Gute Läufer und schlechte Läufer

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Einleitung

Wir haben in den Artikeln und Videos über Bauernstrukturen gelernt was schwache, rückständige oder hängende Bauern sind und wir dagegen spielen können. Das ist ein wichtiger Prozess, um im Mittelspiel besser spielen zu können und Pläne zu finden. Denn indem man sich die Bauernstrukturen anguckt, kann man gegnerische Schwächen identifizieren und daraus Pläne ableiten.

Aber zum Schachspiel gehört natürlich noch mehr als die Bauern und zwar die Leichtfiguren. Und
zu jeder sinnvollen Stellungsbeurteilung und auch dem daraus resultierenden Plan gehört es, sich die Leichtfiguren anzuschauen und zu bewerten, ob sie gut oder schlecht stehen. Das gilt sowohl für eure eigenen Leichtfiguren als auch für die gegnerischen. Auch aus dieser Analyse der Leichtfiguren ergeben sich dann oft Pläne, zum Beispiel der Abtausch schlechter eigener Figuren oder guter gegnerischer Figuren. Dieser Artikel soll euch zeigen, welche Arten von Läufern es gibt, wie ihr diese erkennt und was ihr daraus für mögliche Pläne ableiten könnt

Es gibt zwei Kategorien, nach denen man Läufer unterteilen kann:

  • Gut (viele eigenen Bauern, insbesondere die Zentrumsbauern, stehen auf der anderen Felderfarbe) oder schlecht (viele eigenen Bauern, insbesondere die Zentrumsbauern, stehen auf der gleichen Felderfarbe)
  • Aktiv (Der Läufer hat aktive Aufgaben und greift Figuren oder Felder im gegnerischen Lager an) oder passiv (Der Läufer steht ohne Aufgaben passiv im eigenen Lager herum)

Dementsprechend gibt es 4 Arten von Läufern:

Arten von Läufern
1. Der passive schlechte Läufer
2. Der aktive schlechte Läufer
3. Der aktive gute Läufer
4. Der passive gute Läufer


Der passive schlechte Läufer (Der Großbauer)

Im Diagramm habe ich euch das negative Beispiel des passiven schlechten Läufers aufgebaut. Der Läufer ist schlecht, da alle weißen Bauern stehen auf derselben Felderfarbe wie der eigene Läufer. Dadurch ist der Bewegungsradius des Läufers auf die ersten beiden Reihen beschränkt. Da er hinter den Bauern steht ist er passiv. Er nimmt im Prinzip überhaupt nicht am Spiel Teil und hat keine Aufgabe, außer die eigenen Bauern zu decken. Deshalb könnte man den Läufer auch abwertend „Grossbauern“ nennen, da Bauern diese Aufgabe genauso übernehmen können.

Doch dieser schlechte Läufer und die Bauern auf den weißen Felder haben noch einen anderen großen strategischen Nachteil. Da Weiß keine einzige Figur auf dem Brett hat, welche die schwarzen Felder deckt, sind diese extrem schwach. Der gegnerische König könnte dort wunderbar eindringen oder Springer könnten sich auf b4/d4/f4/h4 einnisten.

Der aktive schlechte Läufer

Wenn wir den Läufer aus dem Beispiel des passiven schlechten Läufers nehmen und ihn nun vor die Bauernkette setzen, wird er aktiv.

Auf d5 steht der Läufer nun aktiv, da er nicht mehr durch die eigenen Bauern gehemmt wird und viele Felder und Diagonalen im gegnerischen Lager kontrolliert. Zusätzlich ist er perfekt gedeckt durch eigenen Bauern und ein verdammt starker Läufer, auch wenn nach Definition weiterhin schlecht (wegen der Bauernstellung)

Der aktive gute Läufer (Der perfekte Läufer)

Wenn nun alle Bauern aus dem ersten Beispiel um ein Feld vorziehen und der Läufer ins Zentrum gesetzt wird, erhalten wir das Idealbeispiel des aktiven guten Läufers:

Der Läufer ist gut, da alle eigenen Bauern auf der entgegengesetzten Felderfarbe stehen. Dadurch wird der Bauer nicht mehr eingeschränkt in seiner Bewegungsfreiheit und kann jedes weiße Feld auf dem Brett in nur maximal 2 Zügen erreichen. Der Läufer ist aktiv, da er im Zentrum steht und hier viele Diagonalen und Felder kontrolliert und ins gegnerische Lager schaut.

Wenn wir uns in diesem Beispiel auch wieder die Felderkontrolle anschauen, sehen wir dass der Läufer perfekt mit den eigenen Bauern zusammen arbeitet. Die Bauern kontrollieren viele schwarze Felder und der Läufer die weißen Felder, so dass Weiß sehr viele wichtige Felder, insbesondere im gegnerischen Lager und im Zentrum kontrolliert.

Der passive gute Läufer

Auch ein guter Läufer kann passiv sein, insbesondere wenn er durch gegnerische Figuren und vor allem Bauern in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird:

Obwohl der Läufer laut Definition gut ist, da die eigenen Bauern auf der entgegengesetzten Felderfarbe stehen, ist er passiv. Denn die gegnerischen Bauern hemmen ihn extrem in seinen Möglichkeiten. Der gegnerische Läufer hingegen ist der aktive schlechte Läufer und hier die deutlich bessere Figur

Welcher Läufer ist denn nun der beste?

Die Beispiele oben haben gezeigt, dass der laut Definition gute Läufer nicht immer automatisch auch eine gute wertvolle Figur ist. Die Einordnung aktiv und passiv sind mindestens genauso wichtig, denn wir haben gesehen dass der aktive schlechte Läufer eine bessere Figur ist als der schlechte gute Läufer.

Daraus folgt, dass wir nach dem aktiven guten Läufer streben sollten, denn dieser Läufer ist der ideale Läufer mit großer Bewegungsfreiheit und aktiven Aufgaben im gegnerischen Lager. Falls das nicht möglich ist, sollten wir vor allem auf Aktivität setzen. Und vermeiden sollten wir unbedingt den schlechten passiven Läufer, denn dieser Läufer ist eigentlich kein Läufer mehr sondern nur noch ein Großbauer und damit deutlich weniger wert.

Was kann ich tun, wenn ich nun trotzdem einen schlechten oder passiven Läufer habe?

Hier folgen drei Ideen, wie man mit einem passiven schlechten Läufer umgehen kann:

  1. Abtauschen

In diesem Beispiel hat Schwarz einen passiven schlechten Läufer auf e6. Was kann Schwarz tun, um seine Probleme mit diesem Läufer zu lösen?

2. Gut machen

Was sollte Weiß hier ziehen, in Anbetracht seines momentan schlechten passiven Läufers auf c2?

Was sollte Schwarz ziehen, wenn er in der obigen Stellung am Zug ist?

3. Aktivieren

In diesem Beispiel hat Weiß ebenfalls einen passiven schlechten Läufer. Wie kann Weiß ihn aktivieren?

Beispiele aus der Praxis

In den folgenden Beispielen aus der Praxis könnt ihr euer neues Wissen über Läufer direkt testen! Versucht doch einfach, in jeder Stellung die Läufer zu bewerten nach gut und schlecht und aktiv und passiv. Zusätzlich werde ich noch eine Bewertung von 1-10 verteilen, die den Wert dieser Figur beschreibt (10 der perfekte aktive gute Läufer, 0 der absolut passive schlechte Grottenläufer)

Alatorsev – Levenfish (1937)

Wie würdet ihr den weißen Läufer bewerten (aktiv, passiv, gut, schlecht, Punkte)?
– Der weiße Läufer auf g2 ist schlecht, da sehr viele Bauern auf den weißen Feldern stehen
– Der weiße Läufer ist passiv, da er hinter der eigenen Bauernkette steht und keine aktiven Aufgaben hat
– Ich geben dem Läufer die 2 Punkte, da er eine sehr schlechte Figur ist, aber es noch schlechter geht

Wie würdet ihr den schwarzen Läufer bewerten (aktiv, passiv, gut, schlecht, Punkte)?
– Der weißfeldrige Läufer von Schwarz ist gut, da sehr viele Bauern auf den schwarzen Feldern stehen
– Der schwarze Läufer ist noch nicht super aktiv sondern eher ein bisschen passiv im Moment, da er noch keine richtig wichtige Aufgabe hat und noch keine Ziele zum angreifen. Auch Felder im gegnerischen Lager, auf die er ziehen könnte hat er nicht
– Ich geben dem Läufer die 7 Punkte, da er der gute Läufer mit viel Potential ist, dass er aber im Laufe der Partie noch nutzen muss

Falls ihr die Partie nachspielen wollt, findet ihr sie hier in meiner Studie auf Lichess.

Botvinnik – Kan (1939)

Wie würdet ihr den weißen Läufer bewerten (aktiv, passiv, gut, schlecht, Punkte)?
– Der weiße Läufer auf d5 ist schlecht, da sehr viele Bauern auf den weißen Feldern stehen
– Der weiße Läufer ist sehr aktiv, da er vor der eigenen Bauernkette steht und viele Felder im gegnerischen Lager kontrolliert oder angreift. Weiterhin verstellt der die d-Linie für den gegnerischen Turm
– Ich geben dem Läufer die 8 Punkte, da er eine sehr starke Figur ist aufgrund seiner aktiven Stellung. Und diese Stellung zeigt sehr schön, dass der Faktor Aktivität beim Läufer oft mehr zählt, denn laut Definition ist der Läufer der schlechte Läufer

Wie würdet ihr den schwarzen Läufer bewerten (aktiv, passiv, gut, schlecht, Punkte)?
– Der weißfeldrige Läufer von Schwarz ist gut, da sehr viele Bauern auf den schwarzen Feldern stehen
– Der schwarze Läufer ist passiv, da er von den gegnerischen Bauern und dem Läufer völlig eingeschränkt wird und keine aktiven Möglichkeiten hat
– Ich geben dem Läufer die 3 Punkte. Momenten ist er sehr passiv und nutzlos. Aber da er der gute Läufer ist, hat er zumindest Potential irgendwann stärker zu werden und aktiv ins Spiel einzugreifen

Falls ihr die Partie nachspielen wollt, findet ihr sie hier in meiner Studie auf Lichess.

Lichess Studie

Falls ihr die Beispiele nachspielen und analysieren wollt in Lichess mit Bewertungen, findet ihr hier meine Studie: https://lichess.org/study/4veqFjSW

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